„Zeige mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist.“
Christian Morgenstern

Habt ihr so etwas schon einmal gesehen? Dieses Haus verschlägt einem die Sprache, oder? Es sticht unter den nebenstehenden Häusern heraus wie kein anderes mit seinem üppigen Rankenwerk auf schmalster Fläche. Wer war derjenige, der so ein extravagantes Haus entworfen hat? Und wer derjenige, der darin wohnte?
Gustave Strauven (1878-1919) hat es für Georges de Saint Cyr geplant. Dieser war Maler, außerdem ein bedeutender Grundbesitzer in Schaerbeek. Er besaß einen Gartenbaubetrieb und baute mehrere Häuser, unter anderem das Maison de Saint Cyr am Ambiorix-Platz. Sein bildnerisches Werk ist kaum dokumentiert, aber in der Geschichte der Brüsseler Architektur ist er bekannt… Kein Wunder bei diesem Haus!
Den Architekten wiederum kennen wir bereits von der Rue Saint Quentin 30 und 32. Doch das Maison de Saint Cyr wirkt dagegen wie die strahlende Schwester in einem besonders verzierten Kleid…
Architektur
Das Hervorstechende daran sind zweifelsohne die fein gearbeiteten Schmiedearbeiten, welche allerlei Linien, Kurven und geometrische Figuren bilden. Außerdem die dekorativen Holzelemente der Fenster und die runde Loggia, die von einer kunstvollen Krone aus behauenem Stein und Schmiedeeisen gekrönt wird, hinter der sich übrigens eine der ersten Dachterrassen der Geschichte verbirgt (da das Grundstück keinen Platz für einen Garten bot, kam Strauven auf die Idee, eine Terrasse mit Blick auf den Ambiorix Platz anzulegen).
Und wie schmal das Haus ist! Die Fassade ist kaum 4 Meter breit! Das ist wohl auch der Grund dafür, dass Strauven sich von der Architektur seines Lehrers Victor Horta anregen ließ. So heißt es bei Heritage Brussels: „Um den Räumen eine angemessene Breite und ein Maximum an Licht zu verleihen, musste sich Strauven von der damals blühenden Bäderarchitektur sowie von einigen Lektionen seines Lehrers, des Architekten Victor Horta, inspirieren lassen: leichte, skelettartige Struktur mit maximaler Öffnung zur Grünfläche des Platzes, Spiel mit Loggien, Balkonen und Terrasse; direkter Zugang über eine Freitreppe zum vorderen Raum im Erdgeschoss; Fehlen von Seitenfluren in den Haupträumen; Ersetzen des zentralen Raums der traditionellen dreiteiligen Enfilade durch ein geräumiges Treppenhaus, das von einem Lichtschacht erhellt wird“.
Aha. Also ist nicht nur das Äußere neu und ungewöhnlich, sondern auch das Innere.


Aufgrund seiner Extravaganz wurde das Haus allerdings als „überzogen“ kritisiert und seine Architektur als „barocker Jugendstil“ bezeichnet. Auch wenn es meiner persönlichen Ansicht nach nicht mit der Eleganz der Häuser von Victor Horta mithalten kann, finde ich es unglaublich faszinierend, wie es aus der Häuserreihe am Square Ambiorix hervorsticht:


Gustave Strauven war erst Anfang Zwanzig, als er es entworfen hat und vielleicht ist es eben dieses Privileg der „Jugend“, was einen Menschen kühn sein und Ideen folgen lässt, denen man im gesetzteren Alter vielleicht nicht (mehr) in der Radikalität folgen würde. Mutmaßungen meinerseits. 😉
Wie auch immer, es ist definitiv einen Blick wert! Es gilt als eine der extravagantesten Schöpfungen Brüssels und es lohnt sich absolut, es anzuschauen.
Ein Haus wie eine kleine Diva. Einfach göttlich eben. 🙂

Infos
- Inside Art Nouveau: Maison de Saint Cyr
- Monument Heritage Brussels: Maison de Saint Cyr
- Gustave Strauven: Wikipedia


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