
Von außen lässt sich das spektakuläre Innere des Hauses nicht erahnen. Dennoch bietet die Eisenfassade mit den großen eingelassenen Fenstern der Avenue Palmerston Nummer 4 bereits einen sehr ungewöhnlichen Anblick für die Zeit, in der dieses Hauses errichtet wurde, nämlich ab 1895!
Unterhalb der Fensterbänke sind die Flächen mit Mosaiken gefüllt, die eine Linienornamentik zeigen. Und das ist nicht alles. Es gibt noch einen zweiten Hausteil, den „Westflügel“ an der Avenue Palmerston Nummer 2, erbaut ab 1898 mit eher konventionellem, aber dennoch sehr schönem Aussehen: einer Sandsteinfassade.




Und es kommt noch besser. Es gab eine Verbindung zwischen beiden Häusern, nämlich eine Art Wintergarten auf einem Zwischengeschoss. Diese achteckige Rotunde bildet den zentralen Punkt des Hauses und wird gekrönt von einer prächtigen Kuppel aus Buntglas…


Details







Mit Möbeln eingerichtet sah das dann damals so aus…


Im oberen Bereich des Hauses mit der Nummer 2 gab es das Arbeitszimmer von Edmond van Eetvelde, sichtlich geprägt von seiner Zeit in China, in der er für den Zolldienst arbeitete. Neben den Vasen und Schalen, die das Büro dekorieren, hängt über dem Kamin eine Stickerei mit dem Bild des chinesischen Gottes Shou Xing, welcher Langlebigkeit symbolisiert.



Victor Horta Kurzbiographie
Wer war dieser Architekt, der so etwas Spektakuläres plante, über das wir heute noch staunen können? Geboren 1861 in Gent als Sohn eines Schusters, schreibt er sich im Alter von 13 Jahren an der Akademie der Schönen Künste in den Fachbereich Architektur ein. Mit 17 geht er nach Paris und arbeitet dort bei einem Innenarchitekten. Dort kommt er in Kontakt mit Stahl und Glas und schult sein künstlerisches Feingefühl. Als sein Vater stirbt, kehrt er nach Brüssel zurück. Er arbeitet 9 Jahre lang als Assistent von Alphonse Balat, dem Architekten von Leopold II. Gemeinsam entwerfen sie die Königlichen Botanischen Gärten in Laeken/Laken. Ab 1893 dann lässt er seiner eigenen Kreativität freien Lauf.


Er schafft es, etwas komplett Neues zu erschaffen: das Prinzip der geschwungenen Linie, das bislang nur im Zweidimensionalen vorkam (in Büchern usw.) auf die Architektur zu übertragen und damit dreidimensional werden zu lassen. Darüber hinaus entwarf er Bauten mit den damals fortschrittlichen Baumaterialien wie Eisen und Glas, die aber nicht verdeckt wurden (wie vorher), sondern offen und sichtbar im Wohnraum belassen wurden. Er schuf vier herausragende Stadthäuser, die später in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen wurden, eins davon ist das Hôtel van Eetvelde (Die anderen sind das Hôtel Tassel, Hôtel Solvay und sein eigenes Wohn- und Arbeitshaus, das ich hier bereits gezeigt hatte).

Übrigens läuft noch bis zum 24.01.2024 eine Ausstellung über ihn im Palais des Beaux-Arts (Bozar) in Brüssel. Dieses Gebäude, das mehr Ähnlichkeiten mit Art Déco als dem Jugendstil hat, wurde auch von ihm entworfen und zwar nach dem Ersten Weltkrieg. 1929 wurde es fertiggestellt.
Infos
- Victor Horta bei Wikipedia
- Victor Hortas Stadthäuser in der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste
- Hôtel van Eetvelde bei Wikipedia
- Die Verwicklung des Hausherrn Edmond van Eetvelde in die Kolonialgeschichte Belgiens ist hier in Teil 1 bei mir zu lesen


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