
Ich mache mir nichts vor: Ich bin nur eine mittelmäßige Schreiberin. Was andere so mir nichts dir nichts an Metaphern, präzisen Schilderungen oder spannungsreichen Überraschungen raushauen, davon kann ich nur träumen. Überhaupt bin ich eine ziemlich durchschnittliche Person, wie vermutlich die allermeisten unter uns. Man pröttelt so vor sich hin, hat verschiedene Interessen, aber die Begabung reicht nicht aus, was Großartiges zu leisten oder sich sonst irgendwie aus der Masse hervorzuheben. Ist ja auch ganz gut so. Hat auch seine Vorteile, nicht wahr?
Aber eine Sache, auf die ich eine Minispur stolz bin, ist mein Interesse am Jugendstil. Ich meine, wer, in Gottes Namen, interessiert sich schon für diese kurze und sehr spezielle, manchmal etwas kitschig wirkende Kunst- und Architekturperiode? Niemand, oder? Kennt ihr jemanden?

Ich jedenfalls nicht. Also außer mich selbst natürlich. Und vielleicht bilde ich mir ein kleines bisschen was darauf ein. Vor allem auf mein stetig minimal anwachsendes Wissen. Ich liebe es ja, wie bei einem Puzzle einzelne Informationsbruchstücke aufzunehmen und in meinem Kopf zusammenzufügen. Das große Gesamtbild ist mein Ziel. Natürlich bin ich noch lange nicht fertig, aber einen Bruchteil habe ich schon zusammengetragen. Yeah!
Und ja, ihr ahnt es schon… „Wo die Eitelkeit anfängt, hört der Verstand auf.“ (Von wem war das nochmal?)
Nun denn. Mit derartigen Gewissheiten und derlei Stolz fuhr ich nun also vor kurzem nach München, zur Jugendstil-Ausstellung. Was kann da schon noch ausgestellt sein, was ich nicht kennte, dachte ich frohlockend und wohl auch etwas arrogant. Für die anderen Besucher wird das ja alles eine Überraschung und Neuland sein, aber bei mir ist das anders… Wer weiß, ob sich die Ausstellung überhaupt für mich lohnt…?
Ähem.
Ornamente und Hubby-Glück
Schon der Anblick der Ausstellungsplakate, die überall in der Stadt zu sehen sind, versetzten meinen Geist in einen Zustand der nervösen Überspanntheit. Dieses verschnörkelte Ornament! Oh, wie unglaublich bezaubernd das aussieht… Kann ich das vielleicht als Poster kaufen? Und was gibt es da wohl sonst noch alles zu erwerben? Der Hubby freut sich bestimmt auch über all die schönen Erweiterungen unseres Hausstandes, jubilierte ich innerlich, und drängte die Beschwerde über das viele „Geraffel“ in unserer Wohnung, die er mal vorbrachte, ganz weit in meinen Hinterkopf zurück.

Die Ausstellung
Um es kurz zu halten: Es war unfassbar voll an diesem winterlichen Samstagnachmittag. Menschen jedweden Alters drubbelten sich vor den Möbeln, vor den Schmuckvitrinen, den Gemälden, vor den Kleidern, sprich: vor allen 400 Ausstellungsobjekten, so dass man immer umeinander herumtänzelte, besorgt, niemandem die Sicht zu nehmen, „Oh Verzeihung“, irgendwie Loriot-haft.
Allein die Masse an Interessierten versetzte mir schon einen leichten Schlag auf mein hoch getragenes Näschen. Was wollen die alle hier? fragte ich mich. Wieso interessieren die sich für MEIN Thema? Doch es ging noch weiter. Während ich ungefähr eine Million Dinge sah, die ich noch nie gesehen hatte – unter anderem ein ganz tolles Buffett von Richard Riemerschmid und eine Nachbildung des Ornaments an der Fassade des Fotostudios Elvira – hörte ich unabsichtlich zu, als vor irgendeinem Objekt ein Mann zu einem anderen sagte: „Des is oaber scho Bauhaus, net Jugendstil, gell?“

Und ich riss die Augen weit auf wegen des großen Fachwissens, während es in meinem Bauch unangenehm zu grummeln begann. Das war nur eine Ausnahme, beruhigte ich mich. Bestimmt ein Lehrer, ach was: ein Professor, der sich auskennt! Und ich schlenderte sorglos weiter.
Dann sah ich mir interessiert einen ausgestellten Damenkimono an und rekapitulierte in meinem Kopf den Einfluss, den die japanische Kunst auf den Jugendstil hatte. Ja ja, hier haben wir es wieder, dachte ich mit den zusammengekniffenen Augen einer Kennerinnenmiene. Das ist der so genannte…
„…Japonismus. Japonismus nennt man das“, flötete eine schlanke Frau neben mir ihrer blonden Freundin ins Ohr und diese nickte wissend, aber auch angesäuert. „Das musst du mir nicht sagen, das weiß ich selbst“, antwortete sie leicht pikiert.
Ich brach innerlich endgültig zusammen und stöhnte weinerlich vor mich hin: Nein, das kann doch alles nicht wahr sein! Wieso kennen die sich so gut aus? Haben die das in der Schule gelernt? Oder sind das Kunststudentinnen? Mit Mitte 40? Und ich dachte, ich bin weltweit die Einzige, die sich im Jahr 2025 mit dem Thema Jugendstil beschäftigt… Gnampf!


Fazit
So ist das wohl im Leben. Hochmut kommt vor dem Fall. Lektion gelernt. Häkchen gesetzt.
Doch ich wäre nicht ich, wenn ich das Grummelgefühl im Bauch einfach so stehenließe. Stattdessen brachte ich die Dinge wieder in Ordnung und zwar in der mir eigenen Art, alles irgendwie noch zum Guten zu wenden.
Und so dachte ich bei mir: Wenn diese Leute dieses Wissen besitzen mögen – woher auch immer: durch ihre bildungsbürgerliche Herkunft, die Schule oder Universität, ihren Beruf oder sonst etwas, das ich nicht vorweisen kann – so habe ich zumindest einen entscheidenden Vorteil, welcher nämlich wäre: Dass ich noch etwas entdecken kann. Dass da eine weite Welt vor mir liegt, die ich erforschen kann. Mit meiner Neugier und meinem Enthusiasmus. Das können sie nicht mehr. Bäääääh! ; -)

Weitere Impressionen von der sehr empfehlenswerten Ausstellung






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