Die Architektur des Lehmbruck Museums in Duisburg

Was ich persönlich an Architektur so spannend finde, ist, dass sie unmittelbar auf Menschen wirkt und besondere Gebäude sogar von einer Laiin wie mir erkannt werden können. So erging es mir zum Beispiel vor einigen Jahren mit dem Lehmbruck Museum in Duisburg, einem nach dem Bildhauer Wilhelm Lehmbruck benannten Ausstellungsgebäude. Ich hatte die Begriffe „Moderne“, „Historismus“ oder „Jugendstil“ noch nie gehört. In meiner damaligen Welt gab es Altbauten (schön) und moderne Nachkriegsbauten (meist hässlich), sonst nichts. Wann das Lehmbruck-Gebäude erbaut wurde, wo man es stilistisch einordnete, all das wusste ich nicht und es interessierte mich auch nicht. Aber ich hatte ein seltsames Gefühl der Begeisterung in mir: Dieses Haus war ein Bauwerk, das ich sehr gerne mochte.

Wieso? Zum einen war da die rundum verglaste Museumshalle, ein Ort lichter Klarheit und größtmöglicher Offenheit. Die Gänge, in denen die Kunstwerke präsentiert wurden, waren zwar auf drei unterschiedlichen Ebenen angeordnet, aber durch die durchgehenden Fenster war man immer mit dem Außen verbunden, Innen und Außen schienen irgendwie zusammenzugehören.

Museumshalle

Zum anderen war da der dunklere, aber dennoch Geräumigkeit und vor allem Ruhe und Schutz ausstrahlende Lehmbruck-Trakt mit Betonwänden, der zudem ein Atrium besaß und vereinzelte, bis zum Boden reichende Glasscheiben, die ebenfalls eine Verbundenheit mit dem Außen bewirkten.

Lehmbruck-Trakt

Atrium

Hinzu kam die schlichte Eleganz, die möglicherweise auch durch die verwendeten Materialien wie Beton, Glas, Kieselsteine erzeugt wurde und die mich grundsätzlich immer begeistert. Das alles war so anders als die mir sonst bekannten Museen, die sich oft in altehrwürdigen Gebäuden befinden wie zum Beispiel den Berliner Museen auf der Museumsinsel, welche dem Klassizismus, dem Neobarock usw. zugeordnet werden (natürlich finde ich diese auch sehr schön, man kann ja tatsächlich beides gleichzeitig toll finden).

Architektonische Einordnung

Professionell ausgedrückt hört sich die Beschreibung der Architektur so an (Auszug aus der Webseite des Museums, hier zu finden): „Eine der herausragenden Besonderheiten des Lehmbruck Museums ist ohne Zweifel seine Architektur, die bis heute einzigartig ist: der in die Erde geduckte Körper aus Beton des Lehmbruck-Flügels, der große Durchblicke in den umgebenden Park gibt, und die monumentale gläserne Museumshalle, die an Transparenz kaum zu überbieten ist.“ Und weiter über den Lehmbruck-Trakt: „Zwei gegeneinander versetzte und gewölbte Betonschalen begrenzen die Binnenräume an der Nord- und Südseite. Sie umfassen ein offenes zentrales Atrium, das als strenges Quadrat gestaltet ist. An den Nahtstellen öffnet sich das Haus mit wandhohen Fenstern jeweils zum Park. Durch ein schmales Oberlichtfensterband gewinnt die Decke einen schwebenden Charakter. Der plastisch durchgegliederte und betont nach innen gewandte Bau steht im Gegensatz zur transparenten Konstruktion der Großen Halle. Dem langgestreckten und richtungsbetonten Baukörper der großen Halle antwortet hier eine in sich ruhende Raumform, die den ausgestellten Werken ‚ein Gefühl der Geborgenheit‘ verleiht und mit dem Atrium eine zentrale Lichtquelle besitzt.“

Einblicke zum Tag des Denkmals

Bei einer Führung anlässlich des Tags des Denkmals am 14. September 2025 erfuhr ich weitere Details. Das Lehmbruck Museum wurde zwischen 1956 und 1964 in zwei Abschnitten erbaut und besteht insgesamt aus drei Teilen (ein Erweiterungsbau kam noch in den 1980er-Jahren hinzu). Vom Stil her erinnert es an den Ludwig Mies van der Rohes, steht also dem Bauhaus/ International Style nah. Tatsächlich war der Architekt, Manfred Lehmbruck (1913-1992) sogar mit Ludwig Mies van der Rohe befreundet und hospitierte für ein paar Monate in einer Bauhausklasse (bis es 1933 zwangsweise geschlossen wurde). Auch arbeitete er zeitweise bei Schülern des einflussreichen schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier (1887-1965), der ja eine bedeutende Rolle für die moderne Architektur spielte.

Zentrum Internationaler Skulptur

Manfred Lehmbruck schuf das Haus in allererster Linie für das bildhauerische Werk seines Vaters Wilhelm (1881-1919) und baute es geradezu um dessen Skulpturen herum, damit diese auf bestmögliche Weise präsentiert werden konnten. Später wurden auch die Werke anderer Künstlerinnen und Künstler in die Sammlung aufgenommen, eine Übersicht findet man hier. Die Transparenz ist bewusst so gestaltet worden, quasi als Einladung: Vom umgebenden Kant-Park kann man durch die vielen Fenster Blicke ins Innere werfen, denn es sollte ein Museum für alle sein, nicht nur für Bildungsbürger, sondern auch für normale Menschen. Das Gebäude sollte bewusst nichts „Hochherrschaftliches“ ausstrahlen.

Mutter und Kind, 1907

Wer war Wilhelm Lehmbruck?

Wilhelm Lehmbruck wurde als viertes Kind von insgesamt acht Kindern in eine Bergarbeiterfamilie geboren. Da er schon als Kind unglaublich gut zeichnen konnte, ging er mit 14 Jahren nach Düsseldorf zur Kunstgewerbeschule. Später studierte er dort an der Kunstakademie und ging von dort aus nach Paris. Hier gelang ihm der Durchbruch mit einem eigenständigen Werk, das alles Hergebrachte übertraf: Die Kniende war eine Frauengestalt mit überlangen Proportionen, eine Formensprache, die damals vollkommen neu war. Die Skulptur wird als expressionistisch gesehen, denn es wird etwas Inneres dargestellt, ein subjektives Gefühl.

Die Kniende, 1911

Im Jahr 1912 gelang es Wilhelm Lehmbruck als einzigem Deutschen, mit seiner Knienden bei einer Ausstellung moderner Kunst in den USA teilzunehmen! Wie man sich schon denken kann, wurde sie später – wie viele andere Werke moderner Künstler – Teil der Ausstellung „Entartete Kunst“, doch das hat Wilhelm Lehmbruck nicht mehr erlebt. Der erste Weltkrieg und private Krisen verursachten eine Depression, die schließlich 1919 im Selbstmord mündete. Das Leid ist oft in seinen Werken zu erkennen, wie zum Beispiel hier beim „Gestürzten“ von 1915/1916.

Der Gestürzte, 1915/1916

Die Kniende

Fazit

Oftmals wird die Gesichtslosigkeit und Nüchternheit der Architektur der Nachkriegsmoderne kritisiert, auch ich bin (wie oben angedeutet) mit dem ästhetischen Ideal historischer Bauten von vor 1910 aufgewachsen. Tatsächlich aber konnte dieses Museumsgebäude etwas in mir entfachen, das schließlich dazu beitrug, auch die weniger „bauhausartigen“ und unspektakuläreren 50er/60er-Jahre-Bauten mit etwas anderen Augen zu sehen. Ein Besuch des Museums lohnt sich also nicht nur aufgrund des Werks Wilhelm Lehmbrucks, der sich dort befindenden drei Alberto-Giacometti-Werke, der Wechselausstellungen oder des Skulpturenparks, sondern auch wegen der Architektur!
 

Museumshalle vom Park aus gesehen

Lehmbruck-Trakt und Museumshalle

Meret Oppenheim, Der grüne Zuschauer (Einer der zuschaut, wie ein anderer stirbt), 1933/1978 im Skulpturenpark

Infos

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