Ich hatte alles so schön eingefädelt. Nach den Informationen „eine renommierte Architektin und Designerin, tätig ab den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, also Bauhaus und Co.“ und „im schönen Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld“ („Nicht weit weg! Da kann man doch direkt daneben parken“) hatte der Hubby wie ein Fisch angebissen und zappelte an der Angel.
Dass wir dann wieder einmal in falscher Reihenfolge durch die Ausstellungsräume liefen – geschenkt. Schon die Nachbildung von Charlotte Perriands eigener kleiner Dachgeschosswohnung in Paris von 1927 mit einem ausziehbaren Tisch aus Stahlrohrbeinen begeisterte ihn, vor allem die Technik, die den ausziehbaren Teil auf ominöse Weise in der Wand verschwinden ließ.


Dezent erinnerte ich ihn an unseren ersten gemeinsamen Esstisch (vom schwedischen Möbelhaus, leider nicht von Charlotte Perriand), der im weitesten Sinne ähnlich aussah mit seinen glänzenden Chrom-Beinen. Ähem, so ganz konnte er sich anscheinend nicht an Olav, Smaland oder wie immer das Ding hieß erinnern, er guckte jedenfalls leicht irritiert, aber egal. Ich hatte eh Wichtigeres vor und im nächsten Raum stand SIE auch schon, gegenüber des heutzutage weit verbreiteten, viele Anwaltskanzleien und sonstige schicke Büros zierenden, meist in schwarzem Leder gehaltenen Sessel namens „Fauteuil grand confort“ (den ich unter dem Namen LC2 kenne, Foto weiter unten). Sie, das Objekt meiner Begierde: die Corbusier-Liege, ein unglaublich schickes, geschwungenes, klassisches Sitzmöbel und mein Traum seit 100 Jahren. „Na, was sagst du?“, fragte ich hoffnungsvoll. „Wäre die nicht genau richtig in unserer Lese- und Musikecke?“

Der Hubby guckte skeptisch. Praktischerweise kam im selben Moment eine Museumsaufsicht, um uns freundlich und auch ein bisschen stolz mitzuteilen, dass wir uns auf die Liege drauflegen durften. Das war dann natürlich der zentrale Fehler. Obwohl die Liege (Original-Name: „Chaise longue basculante“) ergonomisch konzipiert wurde, war der Hubby nicht in dieselbe Begeisterung zu versetzen wie ich. „Mhm. Ganz so bequem finde ich sie aber nicht…“, meinte er. „Hat was von einer Psychotherapeuten-Liege“, fuhr er klagend fort und fing ironisch im Jammerton an zu murmeln „Meineelternhabensichnieummichgekümmertständigwarichalleinichfühlemichsoleerundmüde…“ Meine Felle schwammen gerade definitiv davon. Ich hätte ihn einfach nicht drauflassen sollen, ich Idiotin…„Aber wie toll sie aussieht!“, murmelte ich mit einem letzten Funken Widerstand.
„Und wie teuer ist so was?“, entgegnete er während er bereits zum nächsten Ausstellungsstück schlenderte.„Ach… teuer… teuer…“, beschwichtigte ich. „Kann man gebraucht kaufen, Second Hand, das reicht doch.“ Er warf mir einen strengen Blick zu: „Wir haben ohnehin viel zu viele Stühle und anderes Geraffel herumstehen“, entgegnete er und versetzte mir damit einen kleinen Schlag in die Magengrube. „Zu viel ist aber relativ…“, erwiderte ich kleinlaut, musste aber innerlich zugeben, dass ein Teil davon nie benutzt wurde. Ich musste damals doch zuschlagen, als ich nach mehreren Jahren des Suchens ein gut erhaltenes 6er-Set meiner Lieblingsstühle gebraucht erstehen konnte. Und die alten Stühle waren doch auch noch schön, die konnte ich doch nicht wegtun. Was konnte ich dafür, dass die Wohnung so klein war… „Sogar noch im Keller!“, drang es plötzlich vorwurfsvoll von weit her zu mir. „Der ist in der ganzen Nachbarschaft als Möbellager verschrien, wir kommen gar nicht mehr rein!“ Ich schwieg betreten, gab aber insgeheim die Hoffnung nicht auf. Irgendwann werde ich mir diesen Wunsch noch erfüllen, dachte ich grimmig. Und wenn wir dafür in eine größere Wohnung ziehen müssen.
In der Ausstellung wird übrigens gesagt, dass die Chaise longue basculante ebenso wie die anderen drei Möbel-Klassiker, die immer noch sehr beliebt sind, also jener schon genannte „Fauteul grand confort“, der „Fauteuil pivotant“ und der „Fauteuil à dossier basculant“, gemeinsam von Charlotte Perriand, Le Corbusier und dessen Cousin Pierre Jeanneret entwickelt wurden. Im Internet finden sich mehrere Artikel, in denen beschrieben steht, dass Le Corbusier diese Möbel aber alleine zum Patent angemeldet hat, obwohl die anderen beiden an der Entwicklung beteiligt waren. Das passt irgendwie ganz gut zu dem, was er Charlotte Perriand bei ihrem Vorstellungsgespräch in seinem Büro sagte, nämlich: „Wir besticken hier keine Kissen“. Nachdem er aber ihre hochmodernen Entwürfe aus Stahl und Glas in ihrer Dachgeschosswohnung gesehen hatte (siehe oben), stellte er sie doch ein.


Mehr zur Ausstellung verlinke ich in den Infos. Was wir verpasst haben, war das „Wohn-Lab“ (virtuell), wo man selbst mit Raumentwürfen experimentieren kann. Im Haus Lange und Haus Esters gibt es noch eine weitere Ausstellung über sie zu sehen, in der ihre Aufenthalte in Japan, Indochina und Brasilien beleuchtet werden. Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich es toll fand zu erfahren, dass es Charlotte Perriand nicht nur um Ästhetik ging. Sie war politisch interessiert und wollte mit ihren Entwürfen vor allem das Leben der Menschen verbessern. Eine sehr lohnende Ausstellung.

Infos
- Kunstmuseen Krefeld
- AD Magazin (Artikel über die Ausstellung)
- Stylepark.com (Artikel über die Ausstellung mit Infos über Corbusiers alleiniges Patent)
- Myhomebook.de (Artikel über die Geschichte der Corbusier-Liege)
- Rheinische Post (Artikel über das Wohn-Lab)


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