Kinotipp: „Sep Ruf – Architekt der Moderne“

Großes Glück hatte ich, als ich neulich das Kinoprogramm durchstöberte und zufällig auf diese Dokumentation in Spielfilmlänge stieß. Ich hatte noch nie von Sep Ruf (1908-1982) gehört, aber tatsächlich steht seit Jahren eine Besichtigung des von ihm entworfenen Kanzlerbungalows in Bonn auf meiner To-Do-Liste.

Kanzlerbungalow Bonn
Kanzlerbungalow Bonn, erbaut 1963/64
Foto: Alpenrepublik Filmverleih

Der Prophet im eigenen Land

Möglicherweise hat meine Unwissenheit etwas damit zu tun, dass Sep Ruf zur Zeit seines Wirkens nicht die Anerkennung bekam, die er verdient gehabt hätte. In meinem Buch „Große Architekten – Menschen, die Baugeschichte machten“ kommt er zum Beispiel nur am Rande in einem Beitrag über Egon Eiermann vor (das Buch ist ein antiquarischer Fund aus dem Jahre 1996, Verlag Gruner + Jahr).

Er wurde eben lange nicht so gewürdigt, wie es angemessen gewesen wäre. Im Ausland erkannte man seine Bedeutung, aber im Nachkriegsdeutschland bekam er viel Gegenwind. Konservative konnten zu Beginn nichts mit seinen modernen, lichten und transparenten Gebäuden anfangen, dabei war er – wie es im Film hieß – gar kein „extremer“ Moderner, sondern bezog auch immer den Ort und die umgebende Natur mit ein. Darüber hinaus wollte er, dass Menschen gerne in seinen Häusern lebten und sich dort wohlfühlten (nicht alle Architekten wollen das, offenbarte der Film).

Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, erbaut 1952-1954
Foto: Alpenrepublik Filmverleih

Transparenz und Eleganz

In dem Dokumentarfilm von Johann Betz werden seine bekanntesten Gebäude vorgestellt: die Neue Maxburg in München, die Bayrische Staatsbank in Nürnberg, die katholische Pfarrkirche St. Johann von Capristran, Landhäuser am Tegernsee, der Kanzlerbungalow und noch einige mehr. Das alles wird visuell sehr schön umgesetzt, teilweise werden die Häuser im Splitscreen mit drei Bildern gezeigt, ein ästhetisches Vergnügen! Die schlichte Eleganz seiner Gebäude tritt durch die Kameraaufnahmen eindrucksvoll hervor, man möchte am liebsten selbst gleich in eins seiner Häuser einziehen oder dort arbeiten…

Treppenhaus der Neuen Maxburg München, erbaut 1954-1957
Foto: Alpenrepublik Filmverleih
Akademie der Bildenden Künste Nürnberg
Foto: Alpenrepublik Filmverleih
Akademie der Bildenden Künste Nürnberg
Foto: Alpenrepublik Filmverleih

Blick zurück: Flachdächer verboten

Was ich ein bisschen schockierend fand und eine absolut neue Information für mich war: Zur Nazi-Zeit war der Bau von Flachdächern komplett verboten! Nur ein Satteldach ist ein deutsches Dach, sagten sie damals. Hätte ich mir natürlich denken können, nachdem das Bauhaus ja 1933 von den Nazis geschlossen wurde bzw. zur Selbstauflösung gezwungen wurde.

Für Deutschland fungierte die Architektur der Moderne nach dem Krieg als Nachweis, dass Land und Menschen sich verändert hatten. Die Transparenz der Gebäude, zum Beispiel des Deutschen Pavillons von Sep Ruf und Egon Eiermann auf der Weltausstellung in Brüssel 1958, verwies klar auf die demokratische Neuausrichtung im Gegensatz zum letzten deutschen Beitrag im Jahr 1937 in Paris (ein Monumental-Bau von Albert Speer, hier bei Wikipedia zu sehen).

Persönlichkeit

Der Film erzählt auch in kleinen Anekdoten (von Zeitgenossen erzählt) von der Persönlichkeit von Sep Ruf, was mitunter unterhaltsam rüberkam. Schön war, wie der bis auf den letzten Platz besetzte kleine Kinosaal (ca. 35 Plätze) gemeinsam über den doch etwas anderen Geschmack von Helmut Kohl schmunzelte, der den Kanzlerbungalow nach seinen eigenen Vorstellungen von Gemütlichkeit umgestalten ließ. Geschmäcker sind verschieden, aber um mich herum saßen augenscheinlich vor allem „Moderne-Fans“. Und zu guter Letzt: Mit dem Bau eines achtgeschossigen Mehrfamilienhauses in München (Theresienstraße 46-48) wollte Sep Ruf zur sozialen Befriedung beitragen. Anstatt wie so viele andere gesichtslose Gebäude in der Nachkriegszeit, schuf er ein leicht wirkendes, helles Gebäude mit verglaster Südseite und durchlaufenden Balkonen, damit die, die sich kein eigenes Haus leisten konnten, auch eine schöne moderne Wohnung bekamen.

Fazit: Wer die Moderne mag, sollte unbedingt noch schnell ins Kino gehen, bevor dieses Kleinod von Dokumentation nicht mehr auf der großen Leinwand, sondern irgendwann vielleicht nur noch in der Arte-Mediathek zu sehen ist!

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